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Ein Umbau ganz im Zeichen der Zirkularität

Datum
5. November 2024

Als Museum und Galerie setzt das domus auf den „Dialog zwischen gestern, heute und morgen“. So auch beim aktuellen Umbau der drei Ausstellungsräume, bei dem überwiegend bereits gebrauchte Materialien und Bauteile verwendet werden. Ein starkes und zukunftsweisendes Vorzeigeprojekt, wie ressourcenschonendes, zirkuläres Bauen in Liechtenstein aussehen kann.

Die Ausstellungsräume des domus sind zweifellos in die Jahre gekommen: Was den bisherigen Räumlichkeiten fehlte, waren insbesondere eine klare Signaletik, eine ideale Empfangssituation, optimale Ausleuchtungs- und Akustikbedingungen und Möglichkeiten zum Aufhängen von grösseren und schwereren Objekten an Decke und Wand. Gleichzeitig waren Ertüchtigungen im Brandschutz und bei den technischen Installationen angesagt.  Die Entscheidung für einen Umbau von insgesamt 235 m2 Ausstellungsfläche war also von Seiten der Gemeinde Schaan schnell und einfach gefasst. Aber anders als bei solchen Projekten üblich, ging man dabei einen neuen mutigen Weg.

„Die Planungsphase begann bereits 2023 mit einem Bedarfsermittlungsprozess“, erinnert sich der beauftragte Architekt Lukas Pankraz Mähr von Studio SAAL. „In Workshops wurde zunächst festgelegt, welche genauen Anforderungen und Wünsche an diesen Umbau geknüpft sind – insbesondere auch von Nutzerseite. Davon ausgehend erarbeitete unser Büro dann ein Konzept, in dem die Wiederverwendung von gebrauchten Bauteilen und Materialien im Fokus stehen sollte.“

Was sich auf Papier und in der Theorie vielleicht einfach liest, setzt allerdings bei allen beteiligten Akteur:innen besondere Bereitschaft und Flexibilität voraus. „Das beginnt schon bei den Offerten, in denen einzelne Kostenpunkte – vom Materialbedarf bis zur Arbeitszeit – logischerweise nicht exakt, sondern nur in einer gewissen Bandbreite angegeben werden können, und geht über die Suche nach geeigneten gebrauchten Bauteilen bis zur Bearbeitung und Zwischenlagerung dieser“, erzählt der 39-jährige Architekt, bevor er zur Baustelle führt.

Mehrere Handwerker sind dort gerade dabei, Spachtelmasse anzurühren oder gebrauchte Spanplatten auf das passende Mass zuzuschneiden. Lukas Pankraz Mähr deutet auf den abgedeckten Boden: „Wir haben den alten Teppich entfernt. Da vorher in diesen Räumlichkeiten eine Schule war, gehörte der darunterliegende Holzboden zu den einstigen Schulzimmern. Jetzt wird noch geschliffen, stellenweise ausgebessert und dann versiegelt.“ Der Ausstellungsraum Ost erhält sogar einen neuen „alten“ Boden, der aus der ehemaligen Bühne des TAKinos stammt und hier wiederverwendet wird. Ergänzt wird dieser noch durch einen Holzfries aus einem Fischgrätparkett, der aus einem Haus in der Schaaner Reberastrasse ausgebaut wurde. Mit einem Fingerzeig nach oben erzählt der Architekt weiter: „Die ursprüngliche Decke war zum Hängen von schwereren Ausstellungsobjekten ungeeignet und hatte zum Teil sogar noch Schilfmatten verbaut. Da war schon in Sachen Brandschutz und Zertifizierung klar, dass wir zumindest den Unterbau mit neuen Gipskartonplatten machen müssen. Denn eines ist klar: Auch bei einer mehrheitlichen hochprozentigen Verwendung von gebrauchten Bauteilen muss am Ende alles einwandfrei funktionieren und darf zudem keinesfalls improvisiert aussehen.“

In einem der drei Ausstellungsräume steht eine Palette mit Spanplatten, die bereits als Abdeckmaterial auf einer Baustelle verwendet worden sind und normalerweise danach entsorgt werden. Nach dem Entfernen kaputter Ränder und dem Zuschnitt auf die benötigte Grösse finden diese hier im domus an den Seitenwänden eine wertvolle Wiederverwendung. In einem anderen Raum zimmern die Handwerker gerade aus einer ehemaligen Garderobe des alten TAKinos, aus textilen Restposten eines Schweizer Herstellers sowie Holzlatten aus dem hauseigenen Fundus eigens entworfene Holzelemente, die in allen drei Ausstellungsräumen an die Decke montiert werden: für ein perfektes Beleuchtungssystem, eine bessere Akustik sowie das Hängen von Objekten.

„Die Materialsuche anhand einer vorher von unserem Büro erstellten Bedarfsliste war natürlich herausfordernd, ist aber letztlich auf mehreren Ebenen toll gelaufen“, erzählt Lukas Pankraz Mähr begeistert. „Zum einen war und ist natürlich das Netzwerk von ZirkuLIE und die enge Zusammenarbeit mit deren Projektkoordinator Simon Egger Gold wert. Dann hat uns auch die Gemeinde Schaan selbst sehr unterstützt, indem sie etwa Firmen, die aktuell Rückbauten durchführen, angeschrieben hat. Ausserdem halfen auch die insgesamt neun am Umbau beteiligten Schaaner Fachbetriebe enorm mit. Und natürlich haben auch wir unser eigenes Firmen-Netzwerk dafür nutzen können.“

Von der Zusammenarbeit mit den Handwerksbetrieben ist der Architekt besonders angetan. Diese halfen abgesehen von ihren eigentlichen Aufgaben bei der Bauteilsuche und der Zwischenlagerung entscheidend mit und waren von Anfang an auch bereit, nicht wie sonst meist üblich nach Schema F vorzugehen, sondern im Zuge des Arbeitsprozesses laufend flexibel und gestalterisch mitzudenken. Etwas, was auch von architektonischer Seite eine Herausforderung darstellte. „So ein Projekt lässt sich nicht am Reissbrett entwerfen und danach einfach durchziehen, sondern man muss zu einer sogenannten ,rollenden Planung‘ übergehen: Man geht dabei zwar mit einer konkreten Vorstellung und in einer gewissen Detailtiefe an die Sache ran, muss aber immer bereit sein, wieder einen Schritt zurückzumachen und die Planung anhand der tatsächlich vorhandenen Bauteile anzupassen. Das gleicht mehr einem Ping-Pong-Spiel“, beschreibt der Architekt die eigene Herangehensweise.

Auch in Sachen Mobiliar und Inneneinrichtung setzt man hochprozentig auf gebrauchte Teile. „Vom benachbarten SAL und aus dem Fundus der Gemeinde bekommen wir dort nicht mehr benötigte Stühle, Sitzbänke und Tische, die wir hier unter anderem für Workshops gut brauchen können“, erzählt Lukas Pankraz Mähr. „Und der Unterbau der neuen Museumstheke wird aus Altmaterial der Noldi Frommelt Schreinerei stammen. Die Verfliesung darauf aus Restposten-Beständen der Rheintal Keramik. Zudem werden auch noch Glasziegel von einem Abbruch in der Specki verbaut.“ Gleichermassen interessant wie dekorativ ist auch das Material der zukünftigen Garderobe: Diese wird nämlich aus einer alten Holzkassettendecke eines rückgebauten Hauses gefertigt. So wie dieses Schmuckstück stammen mit ganz wenigen Ausnahmen sämtliche wiederverwendeten Bauteile aus Schaan.

Bevor wir die Baustelle verlassen, führt Lukas Pankraz Mähr noch in den kleinsten Raum der Umbaufläche. Dort zeigt er auf einen grossen Karton mit Spots sowie entsprechenden Montageschienen. „Die stammen allesamt aus dem domus selbst, funktionieren noch bestens und sind als LED-Leuchten auch keine Energiefresser. Neu angeordnet und montiert werden sie für eine perfekte Beleuchtung sorgen.“

Während drinnen mit Schrauber, Spachtel und Säge fleissig weitergearbeitet wird, nehmen wir auf einer schattigen Sitzgelegenheit im Aussenbereich Platz. In den Augen des Architekten leuchtet die Freude über den bis dato reibungslos verlaufenden Umbau. Welche Wünsche und bisherige Erfahrungen knüpft er denn persönlich an das Projekt? „Ich hoffe auf die Symbolkraft und Vorbildwirkung solch mutiger Projekte. Das Potential, wertvolle Bauteile aus Rückbauten zu erhalten und damit unter anderem auch riesige CO2-Mengen einzusparen, ist wirklich enorm. Und es ist nicht so schwierig, wie man denkt. Man muss sich nur darauf einlassen.“

Umbau domus in Schaan

Planungsphase: April 2023 bis April 2024

Umbauphase: Mai 2024 bis September 2024

Neueröffnung: Anfang Oktober 2024

Umbaugesamtfläche: 235 m2

Architekturbüro: Studio SAAL (Vaduz und Feldkirch)

Beauftragte Betriebe (alphabetisch):

  • A.Vogt Gebäudetechnik AG

  • Beck Elektro AG

  • Fenometal ArtDesign AG

  • Gebrüder Bargetze AG

  • Gebrüder Hilti Bau AG

  • Hilti Glasbau AG

  • Hilti Möbel Raumgestaltungs AG

  • Kind Interior

  • LG Bau AG

  • Malerei Frick AG

  • Noldi Frommelt Schreinerei AG

  • Rheintal Keramik AG

Spender:innen gebrauchter Bauteile (u.a., alphabetisch):

  • Gebrüder Hilti Bau

  • Gemeinde Schaan (SAL, domus)

  • Noldi Frommelt Schreinerei AG

  • Rheintal Keramik AG

  • TAKino

  • sowie diverse private Spender:innen aus Abbruchobjekten (insgesamt drei Privatgebäude)