Projekt

Hofstätten Hintergass 35/37

Seit dem Jahr 2018 befinden sich die Hofstätten Hintergass im Besitz der Gemeinde Vaduz. Das Doppelwohnhaus mit seinen Ökonomiebauten steht seit 1993 unter Denkmalschutz und zählt zusammen mit dem naheliegenden Roten Haus zu den wichtigsten und ältesten Gebäuden in Vaduz.  Martin Laukas, Leiter Liegenschaften der Gemeinde Vaduz, erzählt uns in diesem Use-Case mehr über die Besonderheiten einer Restaurierung eines solchen Gebäudes.

500 Jahre erlebbare Baugeschichte 

Die Hofstätten wurden 1494 ursprünglich als Wohnhaus für eine Winzerfamilie in Bohlenständerbauweise errichtet und später erweitert. 1697 erfolgte der Anbau einer Stallscheune an der Nordwestseite und eine Zweiteilung der Liegenschaft. Der Grundriss des Kernbaues zeigt den Typ des hierzulande seit dem ausgehenden Mittelalter bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts typischen «Drei-Raum-Hauses» mit Stube, Nebenstube und quergestellter Küche. Das zweigeschossige Gebäude erhebt sich über zwei tonnengewölbte Kellerräume, die wie die Küche, Vorratskammer und zwei Kammern im Obergeschoss in Rüfe- und Tuffsteinen erbaut sind. Mit den Sanierungsarbeiten wird dieses architektonische Kleinod auf einen neuen Lebensabschnitt vorbereitet. Die charakteristischen Räume sollen durch einen angemessenen Ausbau gestärkt werden. Mit mehrheitlich konservierenden und restaurierenden Massnahmen, wird das Gebäude als Träger reichhaltiger Geschichte erhalten und erlebbar gemacht.  

Ferien und Weingenuss 

Die Stiftung «Ferien im Baudenkmal» wird das Wohnhaus nach Beendigung der Arbeiten zur saisonalen Nutzung an Feriengäste vermieten. Dadurch wird das Gebäude einerseits belebt und andererseits können Gäste von nah und fern Baukulturgeschichte sowie Vaduz und die Umgebung hautnah kennenlernen.  

Der 500-jährige Gewölbekeller wird als Weinlager und für kleine Lehrgänge und Degustationen genutzt. Das setzt auch die Tradition des Hauses fort, da die Bewohner/innen seit Anbeginn Wein in dieser Liegenschaft gekeltert und eingelagert haben. Die Winzergenossenschaft Vaduz wird den Keller nutzen und im südlichen Bereich des Grundstückes einen Lehrwingert anlegen.  

Stallscheune für kleine Veranstaltungen 

Die Hofstätten haben in ihrer Geschichte auch Land- und Viehwirtschaft beherbergt. Die Stallungen wurden für verschiedene Nutztiere und die Futtermittellagerung genutzt. Künftig steht dieser Bereich für kleine, atmosphärische Veranstaltungen zur Verfügung, wobei Wert daraufgelegt wird, dem Stall seinen ursprünglichen Charakter zu lassen.  

Welche Aspekte der Re-Leiter bildet das Projekt ab? 

Wiederverwertung: Recycle:  

Alle ausgebauten Baustoffe wurden vor Ort gelagert und wenn möglich einer Wiederverwendung zugeführt: 

  • Das Konstruktionsholz wurde vor Ort gelagert und wo möglich wiederverwendet. 

  • Die Mauersteine wurden im Sockelbereich wiedereingesetzt. 

  • Die bestehenden Dachziegel wurden wiederverwendet und durch alte Dachziegel aus dem Lager der Denkmalpflege ergänzt. 

  • Die intakten Bretter des Wandschirms wurden wiedereingesetzt. 

  • Die Katzenkopfsteinpflästerung in der Küche Nr. 35 wird wieder eingebaut. 

  • Die Holzdielen wurden aufbereitet und wieder eingebaut. 

  • Ein Treppenschrank wird restauriert und wieder eingebaut. 

Verlängerung der Lebensdauer: Repurpose, Remanufacture, Refurbish, Repair und Reuse:  

Verschiedene Bauteile wurden restauriert oder durch gebrauchte Teile wieder funktionstüchtig gemacht: 

  • Die Bohlenständerwand wurde im Haus belassen und sichtbar gemacht. 

  • Zur Ergänzung des Konstruktionsholzes wurde Altholz eingekauft. 

  • Zur Ergänzung der Dacheindeckung wurden historische Dachziegel eingekauft. 

  • Der Kachelofen wurde restauriert und wird wiederverwendet. 

  • Ein Metallofen (aus einem Abbruchobjekt in Vaduz) aus dem Lager der Denkmalpflege wurde restauriert und wird wiedereingesetzt. 

  • Bei den Fenstern und Türen wurden historische Beschläge verwendet. 

Intelligente Herstellung und Nutzung: Reduce, Rethink und Refuse: 

Das Restaurations- und Umnutzungsprojekt wurde so entwickelt, dass der Bestand respektiert wird und sich die künftigen Nutzungen diesem unterordnen muss. Unter dieser Prämisse konnten die strukturellen Eingriffe auf ein Minimum reduziert werden. 

Grundsätzlich wurden möglichst viele Bauteile erhalten und instandgesetzt (Fenstergewände, Innenputze, usw.). Alle neu zugeführten Baustoffe wurden nach der Herkunft (regional) und Naturbelassenheit (Naturstein, unbehandeltes Holz, Kalkböden, usw.) ausgesucht. 

Durch das gewählte Nutzungskonzept werden die Hofstätten von mehreren Gruppen genutzt und «geteilt». Die öffentliche Nutzung soll die traditionelle Baukultur näherbringen und wieder eine Wertschätzung verleihen. Durch die saisonale Nutzung konnte auf bauphysikalische Massnahmen verzichtet werden. 

Was macht das Projekt zirkulär?  

Materialien: Durch die Wiederverwendung von vorhandenen oder gebrauchten Materialien, den Einkauf von natürlichen, regionalen Produkten und die Wahl von langlebigen Produkten. 

Energie: Der Betrieb wurde saisonal beschränkt und die Heizung auf eine Temperaturdifferenz von max. 15 Grad ausgelegt, um die Heizenergie zu optimieren. Die Liegenschaft wird an das Fernwärmenetz von «Wärme Liechtenstein» angeschlossen. In den Wohnhäusern steht jeweils ein Kachelofen oder ein Metallofen zur Verfügung. 

Wasser: Das Meteorwasser wird auf dem Grundstück einer Versickerungsanlage zugeführt. 

Biodiversität: Bei der Bepflanzung wird auf die Biodiversität geachtet. Zudem werden möglichst wenig Flächen versiegelt. Vorkehrungen für Fledermäuse und Vogelnistplätze werden getroffen. 

Kultur & Gesellschaft: Die Hofstätten als Kulturgut der regionalen Baugeschichte werden geschützt und einem breiten Nutzerkreis zugänglich gemacht. Durch die Einbindung der Winzergenossenschaft wird die Gesellschaft im Erhalt von traditionellem Gut unterstützt. 

Gesundheit & Wohlbefinden: Das Nutzungskonzept sieht vor, dass die Hofstätten zu einem Quartiertreffpunkt werden, mit kleinen, atmosphärischen Veranstaltungen, als Ort der Identität und Geborgenheit. 

(Mehr)Wert: Dieses Projekt soll als Leuchtturmprojekt aufzeigen, dass einerseits der Erhalt, der Umgang sowie die Umnutzung und Verwendung einer historischen Liegenschaft einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen kann. Patina wird als Qualität präsentiert. 

Welche Rolle spielt das Projekt bei der Förderung des systematischen Wandels hin zur Zirkularität in der Baubranche? 

Durch die praktische Anwendung von traditionellen Arbeitsmethoden, der Verwendung von gebrauchten Bauteilen, der Wiederverwendung und dem Erhalt von Bestehendem wird ein alternativer Weg zur Konsum- und Wegwerfgesellschaft aufgezeigt. 

In der Arbeitswelt werden oft Zeit und Qualität dem Preis untergeordnet. Alles muss schnell und billig sein. Bei dieser Sanierung und Umnutzung wurde den beteiligten Unternehmen und Handwerkern aufgezeigt, dass es Bauherren gibt, die andere Werte vertreten. Dem Handwerker wurde eine Möglichkeit gegeben, seinen Berufsstolz unter Beweis zu stellen.  

Welche waren die wichtigsten Herausforderungen und Lernpunkte? 

Zu Beginn der Umsetzung war es wichtig, ein Planungsteam zusammenzustellen, dass die Philosophie mittragen wollte. Viele Diskussionen und Gespräche folgten daraufhin, um diese Philosophie an alle Beteiligten weiterzugeben. Dann war noch eine Herausforderung, Unternehmen zu finden, die das traditionelle Handwerk beherrschen und umsetzen können. 

Die Gesetzes- und Normenwelt lässt heute keinen grossen Spielraum für zirkuläres Bauen. Fragen zur Haftung, oder Garantieleistungen müssen ausgeklammert werden. Von Seiten Bauherrschaft ist eine Bereitschaft zur Übernahme dieser «Risiken» notwendig.  

Wie wird die Wirkung des Projekts gemessen?  

Es gibt keine Messwerte für die Wirkung in Zahlen. Die Wirkung des Projektes wird sich in der Freude und Zufriedenheit der Nutzergruppen zeigen. 

Die Anzahl der Veranstaltungen, der Gäste in den Wohnungen (FIB) und sicherlich auch Kommentare in den sozialen Medien werden als Datenbasis für den Einfluss des Projektes auf die Umwelt, die Gemeinschaft und die Wirtschaft verwendet. 

Fotos: Oliver Ospelt, Paul Trummer und Barbara Bühler

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